Sehr geehrter Herr Leschniok,
sehr geehrter Herr Gottwald,
sehr geehrter Herr Kober,
Sie haben als Bürgerinitiative „Pro Hindenburgplatz“ mehr als 15.000 Unterschriften in Münster gesammelt und damit einen Bürgerentscheid erwirkt. Mit einem positiven Ergebnis würde der Schlossplatz in Münster in „Hindenburgplatz“ umbenannt, bei einem negativen Abstimmungsergebnis würde der Schlossplatz seinen Namen dauerhaft behalten. Der politische Entscheidungsprozess und die Beteiligten an der öffentlichen Auseinandersetzung waren bisher ein lokales Ereignis in Münster, das nur bedingt in Deutschland insgesamt und darüber hinaus wahrgenommen wurde. Diese Situation hat sich seit dem vergangenen Wochenende grundlegend verändert:
Mit der Veröffentlichung unserer für die Stadtgesellschaft repräsentativen Plakatserie von 10 Personen, die mit ihrem Namen dem „Schlossplatz“ ihr Gesicht geben und mit einer persönlichen Botschaft unterstützen, und mit weiteren inzwischen mehr als 100 Personen auf unserer Internetseite, die sich mit unterschiedlichen Statements ebenfalls für „Schlossplatz“ aussprechen, ist die Kontroverse in Münster in eine neue Phase getreten und hat eine neue Qualität erhalten:
Bundesweit wurde unser Bürgerentscheid inzwischen von der rechtsradikalen politischen Szene in Deutschland bereitwillig aufgegriffen. Unterstützer/innen der Initiative „Schlossplatz!“ wurden rassistisch und antisemitisch verunglimpft bis hin zu Aufforderungen zur Anwendung massiver körperlicher Gewalt. Es ist also die Situation eingetreten, die wir, ohne besondere Kenner der rechtradikalen Szene zu sein, befürchtet haben, allerdings nicht zu so einem frühen Zeitpunkt. Diese Verunglimpfungen und Entgleisungen haben sich sowohl auf Ihrer als auch auf unserer Internetseite abgespielt und sind von uns dokumentiert worden. Für Kommentare Dritter bei Facebook ist niemand unmittelbar verantwortlich zu machen. Nun aber wissen wir alle, was uns in Zukunft erwartet. Da helfen auch keine nachträglichen Distanzierungen mehr.
Bisher haben Sie die Auseinandersetzung auf der Ebene der Durchsetzung von mehrheitlich vermuteter Bürgermeinung und kommunalem Heimatgefühl geführt, ohne die Person dessen, der mit der Namensgebung für den Platz geehrt werden soll, besonders zu würdigen. Seit dem vergangenen Wochenende hat Ihnen die rechtsradikale Szene die Herrschaft über „Ihren“ Bürgerentscheid aus der Hand genommen. Die Auseinandersetzung geht jetzt darum, inwieweit die bundesdeutsche Rechte in Münster eine beispielhafte Kampagne führen kann und wie weit sie in einer bedeutenden deutschen Großstadt gehen kann.
Es besteht jetzt nicht mehr nur die Gefahr, dass unsere Stadt durch die Auseinandersetzung um den Schlossplatz unmittelbar Schaden nimmt. Der ist bereits eingetreten. Jetzt besteht vielmehr die Gefahr, dass das Münster der Zukunft zu einem Wallfahrtsort der rechtsradikalen Szene wird, wenn der Bürgerentscheid am 16. Sept. 2012 zu Ihren Gunsten ausgeht. Einen Vorgeschmack darauf haben wir bereits mit zwei Neonazi-Auftritten in diesem Jahr erlebt.
Eine solche Entwicklung kann auch nicht in Ihrem Interesse liegen. Auch Sie müssten ein Interesse daran haben, in Münster insgesamt die Zukunft zivilgesellschaftlich und bürgerschaftlich zu gestalten, so wie es in der Vergangenheit häufig der Fall gewesen ist. Sie haben es jetzt in der Hand, dazu den entscheidenden Beitrag zu leisten, indem Sie sich von den rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Ausfällen klar distanzieren und sich mit den Opfern glaubwürdig solidarisch erklären. Sollte es Ihnen nicht gelingen, die Vereinnahmung Ihrer Kampagne durch die bundesdeutsche rechtsradikale Szene wirkungsvoll einzudämmen, müssen Sie sich die Frage stellen, ob Sie Ihre Kampagne noch vor den Bürgerinnen und Bürger Münsters verantworten können.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Bürgerinitiative Schlossplatz!
Lena-Rosa Beste, Sprecherin
Georg Hundt, Sprecher
Anna Paul, Sprecherin
Hermann Terborg, Sprecher
Ludger Tovar, Sprecher